Sonntag, Januar 21, 2007

Chassidut Gur

B"H

Die Chassidut Gur (Ger in Yiddish) zu erklaeren ist unmoeglich ohne den Kotzker Rebben Menachem Mendel Morgensztern zu erwaehnen. Gur basiert auf Kotzk und vielleicht haette ich das Haus Kotzk zu Beginn erklaeren muessen. Nichtsdestotrotz ist es dennoch moeglich, zuerst einmal die Inhalte der Chassidut Gur naeher zu betrachten.

Die Chassidut Gur ist eine chassidische Gruppe aus Polen. Die Stadt Gora Kalwaria liegt 25 km suedoestlich von Warschau. In Yiddish wurde die Stadt nur Ger genannt.

Das eigentliche Zentrum der polnischen Chassidut lag von ca. 1800 - 1859 in der Stadt Kotzk, nahe Warschau. Dort lebte der brilliante Thoragelehrte, der Kotzker Rebbe.
Rabbi Yitzchak Meir Alter (!798 - 1866) war neben Rabbi Mordechai Leiner (dem spaeteren Ishbitzer Rebbe) der beruehmteste Schueler des Kotzker Rebben. Ausserdem war Rabbi Alter der Schwager des Menachem Mendel von Kotzk. Nach dessen Tod (1859) baten fast alle Schueler aus Kotzk Rabbi Alter, das neue Oberhaupt des Hauses Kotzk zu werden.
So entstand allmaehlich die Chassidut Gur mit ihrem ersten Rebben Yitzchak Meir Alter. Der Rebbe hiess urspruenglich Rotenberg, doch aenderte seinen Familiennamen um in Alter.

Das Geheimnis des Erfolges des Hauses Kotzk war, das Thorawissen mit der Chassidut verbunden wurde. Kotzk sowie Gur legen grossen Wert auf Thora - u. Talmudstudium und nicht unbedingt auf die Mystik. Die Thora ist unser Leben und unsere Seele. Sie ist der Ursprung allen menschlichen Lebens und anhand von Thorastudium erreichen wir Perfektion.
Auch Puenktlichkeit bei Gebetszeiten ist ein Muss bei Kotzk und Gur.

Und was genau macht nun Gur zur Chassidut ? Natuerlich der Rebbe.
Jede chassidische Gruppe hat ihren Rebben, ihr geistiges Oberhaupt. Bei Gur ist das die Familie Alter. Der derzeitige Rebbe, Yaakov Aryeh Alter http://www.answers.com/topic/yaakov-aryeh-alter uebernahm das Amt im Jahre 1996 und ist der siebte Rebbe der Gerer. Die ersten Rebbes der Alter - Familie waren sehr arme Leute, doch heute steht Gur fuer ein Imperium und wird auf 200 - 250 Mio Dollar geschaetzt. Der Rebbe investiert sehr viel Geld fuer soziale Zwecke wie Schulen, Kindergaerten, Krankenhaeuser etc.
Fuer die Chassidim ist der Rebbe mehr als nur ein geistiges Oberhaupt. Er ist der perfekte Zaddik (Gerechter) und durch ihn kommen die Gebete direkt bei G-tt an. Deswegen sollen alle Anhaenger ihrem Rebben nahe sein (Devekut). Einen Blick auf den Rebben werfen zu koennen, gilt schon als das Groesste bei Gur.

Als polnische Chassidut unterscheidet sich die Kleidung der Gerer sehr von Vishnitz oder Toldot Aharon etc. Gur traegt immer schwarz, auch am Shabbat. Selbst der Rebbe. Runder Hut, schwarzer Kaftan und die schwarzen Hosen in die Socken gesteckt. Dieses geht auf einen Brauch im Shtetl zurueck, denn so wurden die Hosen bei Regenwetter nicht schmutzig. Intern nennt man sie daher die Kosaken.

Dem Outfit nach ist Gur leicht zu erkennen. Auch tragen sie am Shabbat einen aussergewoehnlich hohen Streimel (Pelzmuetze), der im Slang Spodik heisst. Die Frauen dagegen sind nicht leicht zu erkennen. Sie gleichen anderen haredischen Frauen, legen aber sehr viel Wert auf Eleganz.

Der Rebbe steht im Mittelpunkt der Chassidut und bestimmt fast alles: Kleidung, seine Chassidim bitten ihn um Rat in allen privaten Fragen etc.
Eine Chassidut ist ein Staat im Staat und der Rebbe ist das Oberhaupt.

Gur ist die groesste Chassidut in Israel. Laut Ynet leben ca. 10.000 Familien hier. Vor allem in den Staedten Jerusalem, Bnei Brak, Ashdod und Kiryat Gat. Ausser dem wirtschaftlichen Einfluss hat Gur grossen politischen Einfluss mit der Hilfe der Knesset - Partei Yahadut HaThora. Ihr Vorsitzender Yaakov Litzmann ist Chassid Gur.

Chassidut Gur nimmt Konvertiten auf. Nur bis zu einem gewissen Grad versteht sich, aber Gur ist offen. Ich kenne einen deutschen Konvertiten, der nun Gur angehoert, sowie ein deutsch - amerikanisches Ehepaar. Ausserdem verfuegt Gur ueber interne Sozialarbeiter, wovon mir einer bekannt ist.
Was ich an Gur mag ist ihr radikaler Einsatz gegen christliche Missionare. Die Chassidut verfuegt ueber ein perfektes Netzwerk und wenn ein Missionar erscheint, halte ich mich nicht an die Polizei, sondern schaue, ob ein Gerer Chassid in der Naehe ist.

Gur ist uebrigens sehr befreundet mit Chabad und zusammen mit Chabad sehr zionistisch eingestellt. Sehr viele Gerer Chassidim arbeiten. Mir persoenlich sind sie immer sehr geradeaus erschienen. Wenn man etwas fragt, gibt es eine Antwort. Sie legen sehr viel Wert auf Anstand, wurden mir gegenueber aber nie ausfallend, wenn ich in Jeans gekleidet bin. Sie waren bisher immer freundlich mit einer guten Sinn fuer Humor.
Im Gegensatz zu anderen chassidischen Gruppen haben sie ihren "Tisch" mit dem Rebben nicht am Freitag abend, sondern nach Shabbatausgang (am Mozzaei Shabbat). Frauen duerfen daran nicht teilnehmen, was ich aus eigener Erfahrung weiss.
Troztdem sah ich im letzten Jahr den Gerer Rebben im Stadtteil Ge'ulah.

Gur verlor 200.000 Anhaenger im Holocaust sowie den Sohn eines ihrer Rebben.

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6 Kommentare:

  1. Anonym12:34 AM

    HI, Miriam:
    Da hast du dich aber wirklcih Mühe gegeben, Danke ist sehr interessant dein
    Artikel.

    Eine Frage eher nebenbei, ist das wirklcih
    so schlimm mit den Missionaren?

    Jakobo

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  2. B"H

    Leider habe ich viel zu wenig ueber Gur geschrieben. Es gebe noch Tausend andere Dinge zu erwaehnen. :-)

    Die Missionare sind ein wahres Problem. Versuchen sich ueberall einzuschleusen, fliegen aber gewoehnlich immer schnell auf. Bei ihrer Mission kennen sie keine Grenzen und stellen sich dumm an. Das geradezu freche Benehmen schreckt eh viele Leute ab.

    Miriam

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  3. Anonym1:42 PM

    @ MIriam:
    Klar, um mehr zu erfahren müsste
    man schon Biografien lesen oder
    sowas. Aber als Anfang um die
    Neugierde zu wecken find ich es
    schon ziemlich gut.

    Das mit den Missionaren es fällt
    mir etwas schwer es richtig einzu
    schätzen weist du? und daher nehme
    ich das oft nicht ernst genug denke
    ich, klingt sogar manchmal eher lustig
    was die da versuchen wollen.

    Jakobo

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  4. Anonym7:20 PM

    Ja, Miriam, sehr schön. Dass man immer mehr schreiben kann, ist wohl immer so.

    Missionare sind hier vor allem diese sogen. messianischen Juden, die treiben sich vor allem gern in Großstädten herum. Diese sind leider zum Teil extrem gut geschult, so dass vor allem leider auch russische Juden denen auf den Leim gehen.

    Yael

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  5. B"H

    Ich hatte zur Gur Chassidut zwei Buecher gelesen, das wichtigste herausgezogen und einige Freunde befragt. Vieles wusste ich schon aus eigener Erfahrung. Ansonsten ist Gur selbst recht einfach zu erklaeren. Bei anderen Gruppen wird es da schon schwieriger. Chabad und Breslov zum Beispiel. Die beiden hoeren sich vielleicht recht einfach an, doch beide Gruppen sind aeusserst mystisch, was das ganze nicht einfach macht.

    Zu den Missionaren: Seit einigen Jahren versuchen deren Organisationen Jews for J. zur Aliyah zu bewegen, um sich in Israel auszubreiten. Natuerlich sagen sie dem Innenministerium nichts davon, weil sie sonst keine Juden mehr nach dem Rueckkehrergesetz waeren. Die Einwanderungsrechte kassieren sie aber dennoch von Juden ab, da kommen bei ihnen keine Gewissensbisse auf. Auch kenne ich einige, die in die Chabad - Suppenkuechen gehen und sich "durchfressen". Und das bei Chassidim, die sie ja eigentlich hassen. Ich habe schon einmal erwaehnt, dass ich mit einigen Chabadnikkim darueber sprach, doch Chabad hat die Auffassung, dass ja vielleicht noch Hoffnung bestehe, diese Messianics wieder zum Judentum zurueckzufuehren.

    Jerusalem ist aber eher voll christl. Missionare mit keinem juedischen Background. Sie glauben etwas von der Thora zu verstehen, aber fuer jeden relig. Juden klingt das nur seltsam, was sie so von sich geben. Wirres Zeug meistens. Amerikaner meistens aus dem Bible Belt im Sueden von den USA. Allein ihr Englisch kann man schon nicht verstehen.
    Russen sind immer die ersten Opfer. Von den wenigen Russen, die wirklich halachische Juden sind, laufen nicht wenige zu den Kirchen. Missionare eroeffnen Suppenkuechen fuer Arme und teilen Essensportionen an Russen aus, was bei denen gut ankommt. Seit kurzem gibt es auch ein missionarisches Obdachlosenheim, was ebenfalls von Russen bevoelkert ist. Die Liste ist ewig lang. Leider.....

    Miriam

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  6. Anonym9:33 AM

    Hi, Miriam:
    Ich wollte dies eigentlich in deinem
    anderen Blog unter den Artikel
    Arbeitsbedingungen posten, aber es
    ging nicht, weil das Bild gefehlt hat
    und aus jenem Bild hätte ich die Buchtaben
    abschreiben müssen, um einen Kommentar
    zu Posten, also mach ich es einfach
    erstmal hier, ich hoffe es stört nicht.

    Jakobo

    Hi, Miriam:
    Da fällt mir noch ein, hast Du eigentlich
    auch Tipps für Einwanderer? Ich meine zum
    Beipsiel für die Arbeitssuche, erste
    Anlaufpunkte und sowas? Kann man sich
    von außehalb schon einen Job suchen?
    Was für möglichkeiten gibt es einen
    Arbeitsaufenthalt in Israel zu machen,
    und sich dann erst zu überlegen ob man
    auch Aliah machen will? Wie wären in
    diesem Fall die Möglichkeiten einen
    Ulpan zu machen? Oder ist es ratsamer
    schon vorher Sprachkenntise zu haben?
    Wie sind zur zeit die Möglichkeiten
    Arbeit zu finden? fragen, fragen,
    fragen.... Wenn Du einen Link weist,
    würde ich mich wirklich freuen.

    Jakobo

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