Montag, Dezember 10, 2007

Das Tor der Tränen

B"H

Die Gemara (rabbinische Diskussionen) in den Talmud Traktaten Bava Metziah 59a + Berachot 32b lehren uns:

"Seit dem Tag, an dem der Tempel (Zweite Tempel, 70 nach Beginn der Zeitrechnung) zerstört wurde, sind die Himmlischen Tore für Gebete verschlossen, und unsere Gebete werden nicht so umgehend beantwortet wie zuvor".

Dieselbe Gemara fährt fort:

"Aber selbst wenn die Himmlischen Tore für Gebete geschlossen sind, das Himmlische Tor der Tränen ist nicht verschlossen".

Zur Zeit des Ersten und Zweiten Tempels wurden unsere Gebete sofort erhört und beantwortet. Bitte dies jetzt nicht so verstehen als das wenn jemand betet, er sofort seinen Willen erfüllt bekam.

Aber dennoch war zu Tempelzeiten die Presenz G - ttes (die Schechina) wesentlich presenter und zugänglicher als sie dies heute ist. Die Zeit, in der die Schechinah am zugänglichsten war, war die Zeit Moshe's und die Zeit des Ersten Tempels. Als Ezra nach dem Babylonischen Exil nach Jerusalem zurückkehrte und die Tempelüberreste wieder aufbaute, war die Schechinah schon nicht mehr ganz so present wie zuvor. Es heißt, dass bis zur Zeit des großen Hohepriesters (Cohen HaGadol), Rabbi Shimon HaZaddik, die Schechinah zwar noch anwesend war, sich danach jedoch immer mehr entfernte.

Die Gründe sind zahlreich und im Talmud aufgelistet. Einer der Hauptgründe ist, dass nach Ende des Babylonischen Exils nicht alle Juden nach Israel zurückkehrten, um Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen. Vielen Juden ging es in Babylon bestens und sie sahen nicht ein, warum sie in ein Land der Ruinen zurückkehren sollten.

Nach dem Tode des Cohen HaGadol Shimon HaZaddik entfernte sich die Anwesenheit G - ttes immer mehr, weil die Korruption in den Tempel einzog. Mehr als 300 Hohepriester zählt die Zweite Tempelperiode, was einen Einblick in die Korruption gibt.
An jedem Yom Kippur geht der Hohepriester in das Allerheiligste (Kodesh HaKedoshim) und wer dessen unwürdig ist, der kommt darin ums Leben. Und so geschah es, dass nach jedem Yom Kippur ein neuer Hohepriester her mußte. Und wiederum wurde jemand aufgrund von Bestechungen gewählt. Bis zum nächsten Yom Kippur.

Die Frage stellt sich, warum keiner der unaufrichtigen Hohepriester jemals an sein Ableben im Kodesh HaKedoshim dachte.
Wie das so ist im Leben, denkt jeder das Allerbeste von sich a la "Mir passiert soetwas nicht". Und so kam die Zahl von mehr als 300 Hohepriester zustande.

Wer heutzutage an der Klagemauer (Kotel) steht, der sieht nicht selten Leute während ihrer Gebete weinen. Vor allem auf der Frauenseite und das gewöhnlich spätabends oder des nachts. Es kann sein, dass diese Leute besonders große Probleme haben oder einfach nur aus Freude weinen. Genau zu sagen vermag dies niemand. Nicht jeder, der weint, muß gleich ein riesen Problem mit sich herumschleppen.

Trotzdem heißt es, dass gerade diese Gebete von G - tt besonders erhört werden. So sie denn vom Herzen kommen.

Natürlich beantwortet G - tt unsere Gebete auch nach den Tempelzerstörungen, doch müssen wir im wahrsten Sinne des Wortes an die Himmelstüre anklopfen, um erhört zu werden (der Talmud - Kommentator Me'iri). Besonders wenn jemandem Unrecht wiederfahren ist, kann er zu G - tt aufschreien (Rashi).

Der berühmte Talmud - Kommentator Maharsha erklärt weitere Einzelheiten:

Die beiden Tempel mit ihrem Kodesh HaKedoshim (Allerheiligsten) sowie Opferungen boten einen direkten Zugang zu der Himmelspforte, welche sich bis heute über dem Tempelberg befindet. Demnach stiegen sämtliche Gebet direkt auf und wurden angenommen. Heute ohne Tempel haben wir diese Direktheit verloren und unsere Gebete machen diverse Umwege, um nach oben zu gelangen. Tränen jedoch haben eine ganz andere Wirkung, denn sie haben die Macht, alle Tore zu öffnen.

Die Frage ist, ob wir wirklich Opferungen und einen Tempel benötigen, um eine Beziehung zu G - tt zu haben.
Die Antwort lautet NEIN, denn anhand unserer Gebete und Mitzwot (Gesetze) erfüllen wir bis heute G - ttes Willen und haben eine direkte Beziehung zu Ihm. Vielleicht nicht so wie zu Zeiten es Ersten Tempels, in denen Wunder an der Tagesordnung waren. Aber auch ohne Tempel ist uns die Beziehung zu G - tt niemals abhanden gekommen, sondern sie hat sich nur etwas verkompliziert.

Der Dalai Lama fragte einmal den berühmten Jerusalemer Chabad - Rabbiner, Rabbi Adin Steinsaltz, was das Judentum über Tausende von Jahren ohne eigenes Land und Tempel zusammenhielt. Rabbi Steinsaltz antwortete: "die Thora".

Bestimmte Mitzwot wie Opferungen können wir ohne Tempel nicht ausführen. In den Propheten und dem Talmud ist von einem Dritten endgültigen Tempel die Rede und wir können nichts anderes tun als auf die Ge'ulah (Ankunft des Meschiach) zu warten. Aber so ganz hilflos stehen wir nicht da, denn nach wie vor haben wir unsere Gebete und die Thora.

Eines gilt jedoch für alle Zeiten: Ob G - tt unsere Gebete erfüllt oder nicht, liegt allein an Ihm. Nicht immer ist alles, wofür wir beten gut für uns. Das Problem besteht darin, dass wir nicht die Gesamtstruktur sehen, sondern immer nur einen Teil.
G - tt hingegen sieht das volle Bild und daher werden unsere Gebete nicht immer von Ihm erfüllt. Wir nehmen dies mit Enttäuschung auf, ohne zu ahnen, dass es eigentlich das Beste für uns ist.

Einfaches Beispiel:
Man bekommt eine Absage auf eine Bewerbung hin nur um später einen viel besseren Job zu finden.


Dies war nur ein kleiner Einblick in das Thema "Gebet". Der Talmud Traktat Berachot sowie weitere Traktate lehren noch viel mehr zu dem Thema und daher werde ich zukünftig noch einige Texte zu dem so wichtigen Thema verfassen.

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