Sonntag, Oktober 03, 2010

Die verpasste Parasha: BERESHIT






B"H


Am vergangenen Schabbat haben wir begonnen, die Thora wieder ganz von vorn zu lesen. Dies tun wir in jedem Jahr nach Simchat Thora, dem letzten Tag von Sukkot (Laubhüttenfest). 


Normalerweise wird "Genesis" mit den Worten "Am Anfang" übersetzt, doch hat "Bereshit" viele unterschiedliche Bedeutungen. Die Kabbalah übersetzt "Bereshit" als "Mit Weisheit erschuf G - tt …..".
Im Judentum haben wir das Konzept, dass jeder Mensch, und habe er auch noch ein so negatives Leben geführt, fast immer die Möglichkeit hat, zum Judentum bzw. zu G - tt zurückzukehren.Bereshit ist wie ein Neubeginn und vielleicht sollten wir diese Chance nutzen, unser Leben ein wenig positiver zu gestalten.


Für uns ist es absolut unvorstellbar gedanklich zu erfassen, wie die Welt nach der Erschaffung aussah. Die sechs Tage des Erschaffungsprozesses sind metaphorisch zu betrachten, denn zu der Zeit gab es keinerlei Zeitrechnung oder Zeitgefühl. Hierbei ist zu beachten, dass es Kommentatoren gibt, die sehr wohl eine Zeitrechnung während der ersten sechs Tage der Welterschaffung sehen. Beide Meinungen bedürfen jedoch näheren Erläuterungen, warum gerade diese Meinung existiert und worauf diese basiert. Einzig und allein G - tt existierte und auf ihn ist jegliche Zeit jedenfalls nicht zutreffend. Er existierte immer und wird dies unendlich lange tun.


Das erste Mal fand die Zeit Erwähnung in der Thora mit dem Satz "Und G - tt nannte das Licht Tag" (siehe Ramban zu Bereshit). In der Kabbalah, vor allem in den Schriften des Arizal (Rabbi Yitzchak Luria) heißt es, dass es vor der Erschaffung der Welt nichts gab, außer G - tt. Er füllte alles aus und wir mögen so unsere Probleme damit haben, uns ein absolutes Nichts vorstellen zu können. Als G - tt sich entschied, das Universum etc. zu erschaffen, mußte Er sich selbst aus einem Raum zurückziehen, um Platz für Seine Erschaffung zu schaffen. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Zimzum. Der Zimzum fand jedoch keineswegs räumlich statt, sondern vielmehr zog Er Seine unendlichen Kräfte zurück. Denn hätte Er die Welt absolut perfekt erschaffen, dann befänden wir uns auf dem Level von Robotern und täten über keinen freien Willen verfügen. Um jedoch auch dem "Negativen" einen Freiraum zu lassen, musste sich G - tt automatisch bis zu einem gewissen Grad zurückziehen.


Die Gemara im Talmud Traktat Sanhedrin 38a stellt die Frage, warum G - tt den Menschen erst am sechsten und nicht schon am ersten Tag erschuf. Weil sonst negative Kräfte in der Zukunft behaupten könnten, dass der Mensch Partner im Erschaffungsprozess war, was vollkommen falsch wäre.
Nicht wenige andere Religionen legen den Satz "Laßt uns den Menschen erschaffen" als eine Art Trinität aus. G - tt hätte mehrere Identitäten, was natürlich eine Fehlinterpretation darstellt. Metaphorisch gesehen erschuf hier G - tt den Menschen mit all Seinen 10 Attributen (Eigenschaften oder Sefirot). Nicht, dass G - tt "sprach", sondern dass Er Seine unterschiedlichen Kräfte für den Erschaffungsprozeß nutzte.


Immer dann, wenn die Thora G - tt menschliche Eigenschaften zuweist, handelt es sich um Metaphern, denn G - tt verfügt über keinerlei solcher Eigenschaften. Die Thora allerdings gab Er uns in einer vermenschlichten Sprache, damit unser eingeschränkter Verstand in der Lage ist, sie zu begreifen. Ebenfalls sind wir nicht imstande, G - tt zu verstehen, sondern können Ihn lediglich anhand Seiner Handlungen etwas kennen lernen. Auch existierte lt. der Thora "der Abend" vor "dem Morgen". Hierzu kommentiert Rabbi Yehonatan Eibeschütz das "der Abend" ausdrückt, dass seitens G - ttes der Gedanke kam und "am Morgen" steht für die eigentliche Ausführung der Tat.


Es gibt unzählige Kommentare darüber, was Eva (Chava) und Adam falsch gemacht haben und was genau mit dem Paradies (Gan Eden) sowie den zwei Bäumen, dem Baum des Lebens (Etz Chaim) und dem Baum der Erkenntnis (Etz HaDaat) gemeint ist. Viele Kommentatoren vertreten die Meinung, dass Gan Eden und die Bäume bestimmte seelische Level repräsentiert. Adam sowohl als auch Chava waren auf einem dermaßen hohen geistigen Level, welcher uns heute völlig unvorstellbar ist erscheint. In dem Moment als beide vom "Etz HaDaat" aßen, bekamen sie einen materiellen Körper und die meisten hohen geistigen Level verflogen. Unsere materielle Welt, die Malchut, übernahm die Vorherrschaft und die anderen drei geistigen Welten, Atzilut, Beriah und Yetzirah, entfernten sich von der Malchut. Unsere Aufgabe ist es, die Welten und die hohen geistigen Seelenlevel wieder auf ihren Ausgangspunkt nach dem Erschaffungsprozess zurückzubringen. Dies verstehen wir unter dem Tikun Olam - die Reparatur der Welt.


Ursprünglich war geplant gewesen, dass Chava und Adam der Versuchung widerstehen und noch am kurz darauf folgenden Shabbat der perfekte Level der Welt erreicht worden wäre. Adam hätte somit alle sich in ihm befindenen Seelen repariert und die Welt sehe heute anders aus. Doch Adam und Chava erwiesen sich trotz ihres hohen Levels als nur allzu menschlich und wollten sich nicht mit dem zufrieden geben, was sie hatten. Es war ihnen erlaubt, von den Hunderten wenn nicht Tausenden von Bäumen im Gan Eden zu essen und selbst vom Baum der Erkenntnis hätten sie nach Einbruch des Shabbat essen dürfen. Doch eine negative menschliche Eigenschaft ist fast immer das zu wollen, was man nicht hat oder in anderen Worten: der Neid. Genauso erging es Kain als er seinen Bruder Hevel (Abel) tötete. Vielleicht sollten wir aus diesen Fällen lernen, nicht immer nur auf unseren Nachbarn zu schauen, sondern uns mit dem zufrieden geben, was wir schon erreicht haben. Alles werden wir niemals erreichen, denn es wird immer jemand vor uns stehen, der mehr hat. Daher ist die beste Lösung sich auch einmal aus ganzem Herzen für seine Mitmenschen zu freuen.


Adam HaRishon enthielt alle fünf unterschiedlichen Seelenarten. Heutzutage reden wir höchsten von der Nefesh (tierischen Seele in uns, welche ihre Bedürdfnisse erfüllt haben will). Dazu noch vom darüberliegenden Level "Ruach" sowie der "Neshama". Das sind alle Level, welche wir derzeit erreichen können. Adam dagegen hatte ebenso eine "Chaya" und eine "Yechidah". In kabbalistischer Literatur wird die "Chaya" als "Neshama Yeterah" betrachtet. Heutzutage kennen wir die al seine zusätzliche Seele, welche jeder Jude am Schabbat erhält. Die "Neshama Yeterah" ist das Geheimnis der "Chaya" und in der Kommenden Welt (nach dem Eintreffen des Meschiach) erhalten die den vollständigen Level der "Chaya" zurück (siehe "Megaleh Amukot"). Der REMA schreibt, dass die "Chaya" das Geheimnis des Schabbat und die "Yechidah" (die höchste Seele überhaupt) das Geheimnis der Kommenden Welt beinhalten.


Die ungeklärte Frage ist und bleibt, was genau der Gan Eden (das Paradies) war oder ist. Handelt es sich dabei tatsächlich um einen real existierenden Ort oder vielmehr um einen spirituellen Seelenlevel ? Waren Adam und Eva (Chava) vor ihrem Vergehen tatsächlich materiell oder eher geistiger spiritueller Natur ? Dass sie jedenfalls vor dem Vergehen mit Lendenschurz oder Feigenblatt bekleidet herumliefen, erscheint gänzlich falsch. Die Mehrheit der Kommentatoren sieht beide eher mit einem besonderen Licht bekleidet. Zusätzlich herrscht die Meinung, dass Adamas Haut nur aus dem Material bestand, aus welchem heutzutage unser Fingernägel gemacht sind (siehe Rabbi Yitzchak Luriah "den ARIZAL" in seinem Buch "Arba Meot Shekel Kesef").


Hätten Adam und Eva (Chava) nicht gesündigt, wären sie im Paradies (Gan Eden) geblieben und hätten nur "heilige perfekte Nachkommen" gezeugt. Wie wir wissen, war jedoch das Gegenteil der Fall und bis heute sind wir damit beschäftigt, den einstmaligen perfekten Zustand der Welt sowie der Seelen wiederherzustellen. Dieses endet bzw. wird mit der Ankunft des Meschiach vollfüllt. Trotzdem wurden die Seelen der beiden ersten Menschen schon längst von unseren Vorvätern sowie den Vormüttern "repariert".


Kaum eine andere Thoraparasha ist dermaßen kompliziert und schwer zu verstehen wie die Parashat Bereshit (Genesis). Es gibt unendlich viel zu sagen und die Themen sind, im wahrsten Sinne des Wortes, unerschöpflich.

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