Mittwoch, Juni 08, 2011

Talmud Schabbat 88: G – tt hielt den Berg Sinai über die Juden, Teil 1


Thoratext

Photo: Miriam Woelke

B”H

In Israel ist Schavuot, das Wochenfest, heute abend zuende gegangen; in der Diaspora hält es dagegen noch bis morgen abend (Donnerstag) an. 
Wenn wir von Schavuot (übersetzt: Wochen) sprechen, dann bezieht sich fast alles auf die THORA, denn die wurde ja an diesem Tag am Berg Sinai von G – tt an die Juden gegeben. Der Talmud liefert ein paar sehr interessante Insights zur Thora und was am Berg Sinai geschah. Dazu ein kleiner Einblick hier und weitere folgen in den nächsten Tagen.

Der Talmud Traktat Schabbat 88a listet ein paar Teachings auf, die ursprünglich aus der Aggadah stammen. Mitunter geht es dabei um die Aussage, dass als die Juden am Berg Sinai standen, G – tt den Berg anhob und G – tt die Juden mit dem Berg bedeckte. Bedeutet, dass die Juden sich innerhalb des Berges befanden. Dabei sagte G – tt: “Wenn Ihr die Thora annehmt, gut, aber falls nicht, werdet Ihr hier unter dem Berg begraben !”

Wenn wir uns diese Talmudaussage aus der Aggadah anschauen, müssen wir beachten, dass die Aggadah sowohl als auch der Talmud vieles in symbolischer Form wiedergeben. Wörtlich dürfen wir es also nicht nehmen, sondern als metaphorischen betrachten. Viele Aussagen, die recht merkwürdig klingen, hegen die Absicht, uns etwas ganz anderes mitzuteilen und bedienen sich als Mittel zum Zweck der Symbolik.

Wie kann G – tt den Berg Sinai hochheben und diesen einfach über die Juden stellen wie einen Hut ? Und warum wandte G – tt diese Methode an bzw. warum zwang Er die Juden zur Annahme der Thora ? Immerhin hatten die Juden doch schon bekundet, dass sie die Thora haben wollten (siehe Exodus – Sefer Schmot 24:7). 

Teile der Antwort finden wir im Talmud wie in der Kabbalah. Als G – tt zu den Juden sprach, so tat er das zu Beginn öffentlich und jeder Jude vor dem Berg Sinai hörte G – ttes Stimme. Wobei diese Aussage ebenso wieder symbolischer Natur ist und vielmehr bedeutet, dass die Juden die Stimme G – ttes sozusagen in ihrer Seele vernahmen. Die Kabbalah berichtet uns, dass sobald G – tt den ersten Satz aussprach, die Seelen der Juden die Körper verliessen. So einflussreich war das Erlebnis auf die Juden vor dem Berg Sinai. In anderen Worten: Sie schafften es nicht, G – ttes Worte zu vernehmen, da sie einfach nicht dazu in der Lage waren. Ihre Seelen verliessen zeitweilig die Körper und es bestehen Meinungen, dass die Menschen so starben, doc him selben Moment erweckte sie G – tt wieder zum Leben. 

Die Juden hatten zuvor akzeptiert, die Thora anzunehmen. Dann aber unterwarf G – tt sie einer Art Zwang, die Thora anzunehmen. Warum ? Die Tosafot kommentieren dazu, dass die Juden nach dem Schockerlebnis am Berg Sinai (als ihre Seelen die Körper verliessen) sie eventuell ihre Meinung geändert haben könnten.

Die Midrasch kommentiert, dass die Juden bereit waren, die schriftliche Thora zu akzeptieren, doch mit der mündlichen Thora (der heutigen Mischna des Talmud), hatten sie so ihre Probleme. Die Mischna (Gesetze) verlangen ein immenses Studium und wer weiss, wie er was machen soll, der muss sich anstrengen, die entsprechenden Mitzwot zu erfüllen. Ist das nicht alles zu aufwendig ? Der Ramban (Nachmanides) erklärt, dass die Juden bereit waren, die Mitzwot in Israel zu erfüllen, jedoch nicht in der Diaspora, in der sie sich zu dem Zeitpunkt befanden. Später, zu Zeiten Mordechais und Esthers in Babylon, waren die Juden bereit, auch die Thoramitzwot in der Diaspora anzuerkennen und der Talmud Schabbat gibt uns zu verstehen, dass es zur Zeit der Purimereignisse war als die Juden die Thora voll und ganz akzeptierten und annahmen.

Der Maharal von Prag kommentiert, dass wenn die Juden die Thora abgelehnt hätten, die Welt wieder zu ihrer alten Form vor dem Erschaffungsprozess zurückgegangen wäre. Bedeutet: Hätten die Juden zu G – tt gesagt, dass sie keine Thora wollen, wäre die Welt vernichtet worden und zum Zustand des Tohu vor der Welterschaffung zurückgekehrt. Allein die Thora macht die Welt aus und die Juden waren dafür vorgesehen, diese zu akzeptieren und die Thoragesetze zu erfüllen. Wäre das in die Hose gegangen, hätte die Welt ihren Sinn und Zweck verloren und somit zum Zustand des Tohu zurückgekehrt.

Anmerkung: In der jüdischen Kabbalah steht TOHU für die Gedankenwelt G – ttes und nicht für eine materielle Form oder Erschaffung.


Photo: M. Day


Nun muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob G – tt am Berg Sinai die Juden nicht allzu sehr in ihrem “Freien Willen” beeinflusste, wenn er sie sozusagen zwang, die Thora zu akzeptieren, damit die Welt nicht den Bach hinunter ging. Andererseits hatten die Juden immer noch ihren “Freien Willen”, denn G – tt gab ihnen die Wahl.

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Teil 2 folgt morgen !

Der Talmudtext aus dem Traktat 88a ist keineswegs einfach zu verstehen noch zu erfassen und wenn Ihr dazu Fragen habt, stellt sie !

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